Nachhaltigkeitsstrategien jenseits des Ökodorfes

Über Nachhaltigkeit wird viel geredet. Vordringliches Problem momentan ist der Klimawandel. Dabei geht es oft um die Frage nach dem Wirtschaftswachstum. Um dem Klimawandel entgegenzuwirken werden verschiedene Nachhaltigkeitsstrategien entwickelt. Effizienz, Suffizienz, Konsistenz… wer verfolgt welche Ziele und was für eine Vorstellung von Nachhaltigkeit steckt jeweils dahinter?



Ressourcenschonende Technologien entwickeln – die Effizienzstrategie

Nachhaltigkeit ist in aller Munde. Wissenschaftlerinnen, Politiker, Aktivistinnen reden darüber. Und dann gibt es verschiedene Maßnahmen, um dem Ziel näher zu kommen. Ideen aus der Umweltbewegung sind im Mainstream längst angekommen. Bioprodukte sind vielerorts hoch im Kurs, schadstoffarme Produkte werden verwendet, der CO2-Fussabdruck und andere Parameter, die die Umweltbelastung messen, sind in der Diskussion.

In der Forschung geht es um die Entwicklung neuer Technologien, von der Mobilität über die Stromerzeugung bis hin zum Heizen. Energie-Plus-Häuser, also Passivhäuser, die zusätzlich durch Photovoltaik auch noch Strom erzeugen, sind keine Neuheit mehr. Die Herausforderungen liegen andernorts weiß Christina Sager, Gruppenleiterin für Niedrig-Exergie-Systeme am Fraunhofer Institut für Bauphysik in Kassel:
„Die Frage ist, wie schaffen wir das, die erneuerbare Energiequellen Wind und Sonne so zu integrieren, dass wir mit den Lücken klar kommen. Windenergie und Solarenergie haben wir nicht immer... Wie schaffen wir es, die jeweiligen besonderen Merkmale der Technologien miteinander zu Verknüpfen? Zum Beispiel über Speicher, über eine besonders intelligente Nutzung, über zeitliche Verschiebungen in den Profilen.
Sie arbeitet an innovativen Lösungen, um Energie effizienter zu nutzen. Ist das Konzept einer emissionsfreien Stadt realisierbar? Eine Möglichkeit, dies zu erreichen, wäre beispielsweise die Umstellung auf Strom. Dieser müsste natürlich vollständig aus regenerativen Quellen stammen. Somit ließe sich, zumindest theoretisch, sowohl die Mobilität als auch die Wärmeversorgung stemmen. „Die Szenarios einer Null-Emissionsstadt sind zwar gegeben, aber die Frage ist, ob es die richtungsweisende Strategie ist, denn sie erfordert starken Umbau der sehr feuerungsintensiven Heizungsanlagen und der gegenwärtigen Fahrzeugtechnologie. Das wäre ein sehr teurer Weg.“

Bei der konventionellen Stromerzeugung über fossile Energieträger und Atomkraft ist nur etwa ein Drittel der hineingesteckten Energie am Ende nutzbar ist. Die Stromerzeugung an sich ist schon mal nicht sehr effizient, dennoch begehrt. „Wir haben mit dem Strom eine sehr vielseitige Energieform, ich kann damit Mobilität, Strom, Licht oder Wärme erzeugen. Der Strom ist eigentlich unsere qualitativ am höchsten wertige Energieform.“ Deshalb wäre es auch eine Verschwendung, diese hochwertige Energie zum Heizen zu benutzen. Hierfür reicht nämlich bereits lauwarmes Wasser aus. Christina Sager beschreibt diesen Ansatz mit dem Begriff der „Niedrig-Exergie-Versorgung“. Es geht darum, „eine passende Energieversorgung für die tatsächlichen Bedürfnisse zu finden. Wo bekommen wir eine Quelle her für unsere Gebäudeheizung, die ungefähr 40 Grad hat? Es könnte beispielsweise Abwärme aus einem Industrieprozess sein. Das muss man auch in einem lokalen Quartierskontext betrachten. Ein stärkerer Ausbau von KWK im lokalen Kontext.“
Ziel ist es also nicht, die Stadt emissionsfrei zu machen, sondern Technologien, Strategien und Dienstleistungen zu entwickeln, bei denen die gesamte Stadt Energie einsparen kann.

Um das Wort „Energieeffizienz“ kommen wir nicht herum. Es ist die Effizienzstrategie, die hier gepriesen wird. Wenn Kraftwerke gebaut werden, die mit gleichem Input mehr Strom generieren, wenn das Haus so gut isoliert wird, dass deutlich weniger geheizt werden muss, wenn das Auto bei gleicher Leistung weniger Sprit verbraucht – all das sind Effizienzsteigerungen.
Aber solche Effizienzstrategien bergen auch Gefahren: Wenn es schon mal leicht geworden ist, Energie zu erzeugen, warum auch nicht mehr davon verbrauchen? Immanuel Stieß vom Institut für Sozial-Ökologische Forschung in Frankfurt beschreibt das Problem folgendermaßen: „Ich habe einen normalen Kühlschrank, den tausche ich aus gegen einen AA-plus Kühlschrank, dann habe ich ein viel effizienteres Gerät, aber habe noch genauso viel Kühlschrank zur Verfügung, brauche aber weniger Strom und erzeuge weniger CO2. Das Problem bei solchen Effizienzstrategien ist, dass ich dann vielleicht doch einen größeren Kühlschrank kaufe und dann mache ich diese Einspareffekte zunichte.

Den Verbrauch mäßigen – die Suffizienzstrategie

Der Effizienzstrategie steht die Suffizienzstrategie gegenüber. Sie schließen sich keineswegs aus, sondern ergänzen sich. Bei der Suffizienzstrategie geht es darum, den Verbrauch zu drosseln, also Strom zu sparen, nicht unnötig zu heizen, das Auto weniger zu benutzen. Diese Strategie wird oft als eine Art Verzichtsethik aufgefasst. Immanuel Stieß gibt zu:
„in der Regel funktioniert so was erst, wenn man sagen kann, der Umstieg vom Auto aufs Fahrrad ist gar kein Verzicht, sondern ich gewinne dadurch etwas. Das funktioniert nur, wenn es attraktiv erscheint. z.B. weil ich mich nicht um Parkplätze kümmern muss, weil ich genauso schnell bin oder noch schneller als mit dem Auto.“

Wirkliches Recycling statt „Downcycling“ – die Konsistenzstrategie

Daneben gibt es auch noch die Konsistenzstrategie: Alle Stoffströme sollen dabei im Kreislauf geführt werden. Das bedeutet, dass das Material, welches wir täglich verwenden, verbrauchen, wegwerfen, auch vollständig recycelt werden soll.
Das „cradle-to-cradle“-Konzept, von Prof. Michael Braungart und William McDonough entwickelt, ist solch eine Konsistenzstrategie: Das Produkt soll nicht, wie bisher, von der Wiege bis zur Bahre schließlich das Ende seines Lebenszyklus erfahren. Es soll im Vorfeld so gestaltet sein, dass es entweder in biologische oder in technische Kreisläufe zurückgeführt werden kann. Dieses Konzept im Produktdesign umzusetzen, ist nicht einfach. Die technologische Umsetzbarkeit ist eine Hürde, die Wirtschaftlichkeit eine andere. Beispielsweise müsste die Industrie ziemlich stark umrüsten. Aber nicht nur die, auch Privathaushalte belasten die Umwelt.

Immanuel Stieß beschäftigt sich am ISOE – dem Institut für Sozial-Ökologische Forschung - mit dem Konsum von Privathaushalten. Er fragt nach dem Ausstoß von Treibhausgasen, die durch Verbraucherinnen und Verbraucher verursacht werden. Hinter diesem Projekt steckt die Idee einer „Null-Emissions-Stadt“. Allerdings wird hierbei nicht nach dem CO2 geguckt, das durch Verkehr, durch die Stromproduktion und durch andere Herstellungsprozesse verursacht wird, sondern die Privathaushalte werden unter die Lupe genommen.

CO2-Emissionen der Privathaushalte

Es gibt unterschiedliche Bilanzierungsformen. Man kann die CO2-Emissionen nach Sektoren betrachten, zum Beispiel Industrie, Stromerzeugung, Fahrzeuge, Landwirtschaft… oder man kann fragen, welche CO2-Emissionen der Konsum verursacht inklusive der Wertschöpfungskette, die an jedem Produkt und an jeder Dienstleistung dran hängt. Genau das untersucht Immanuel Stieß. Legt man die CO2 Emissionen also auf die Bevölkerung um, so findet man heraus, dass pro Kopf ungefähr 11 Tonnen Treibhausgase produziert werden. 18% davon fallen für beim Heizen an, 7% entstehen durch den Stromverbrauch, 14% durch die Ernährung und 23% werden durch unser Mobilitätsverhalten freigesetzt. Bei dem hohen Wert von 23% fällt vor allem der Flugverkehr ins Gewicht.
Daraus ergeben sich verschiedene Handlungsmöglichkeiten, um die individuelle CO2-Bilanz zu verbessern. Eine Möglichkeit ist der Umstieg auf Ökostrom.
Was man noch machen kann sagt Stieß, „ist, dass man möglichst wenig Fleisch, vor allem Rindfleisch isst. Und dann könnte man auch noch den Konsum von Käse und Milchprodukten einschränken. Dann würde man ein Drittel der Treibhausgase aus dem Bereich Ernährung einsparen. Und ein Bereich, an den wir gar nicht so sehr denken, ist das Heizen. Es gibt so eine Faustregel, die besagt, dass pro Grad Raumtemperatur ungefähr 6% mehr oder weniger Energie verbraucht wird. Wenn es also nicht 22 Grad im Zimmer ist, sondern 20 Grad, hab ich ungefähr 10% CO2-Emissionen gespart.“

Energiewende geht nur mit eine Kulturwende – die Transition Town Bewegung

Der Transition-Town-Bewegung reicht das nicht aus, lediglich die individuelle CO2-Bilanz zu verbessern. Diese Bewegung stammt aus Irland und England. Im Deutschen würde man die Transition Towns wohl am ehesten als „Kultur- und Energiewende-Städte“ bezeichnen. Im Mittelpunkt steht bei ihnen „Peak Oil“, das Zuneigegehen von Erdöl als billiger Brenn- und Rohstoff und die Entwicklung alternativer wirtschaftlicher Strukturen. Ziel ist dabei sich an den Klimawandel anzupassen und die Unabhängigkeit vom Erdöl zu erreichen. Andrea Philipp, Mitbegründerin der Transition-Town-Gruppe in Freiburg erklärt, „dass es dafür wieder eine stärkere Regionalisierung braucht. Kleinere Netzwerke, mehr Nachbarschaften, mehr Wechselwirkungen, um dadurch auch resilienter zu sein. Dieser Begriff „Resilienz“ oder Widerstandsfähigkeit ist ein ganz wichtiger, um in Krisenzeiten tatsächlich da flexibel sein zu können.“
Neben der Organisation von Filmreihen und Vorträgen sollen konkrete Projekte entstehen, wie die Bildung von Gartenkooperativen oder die Einführung von Regionalwährungen. In England hat man einen „Masterplan“ erstellt, der vorgibt, was getan werden kann, wenn der Stadt das Erdöl ausgeht.
Die Bewegung bezeichnet sich selber als eine Bewegung mit Kopf, Herz und Hand. "Kopf heißt, die Herausforderung zu verstehen, zu begreifen was bedeutet Peak Oil, was bedeutet Klimawandel. Das Herz ist die Bedeutung für mich, wie muss ich mein Denken ändern, mein Weltbild ändern. Und das letzte sind dann die Hände, das konkrete Umsetzen, Anpacken“
Einen Bezug zu den Produkten zu bekommen, die wir tagtäglich verwenden, mehr Dinge wieder selber zu machen: Die Idee der Transition Towns verfolgt eher Suffizienzstrategien und gibt sich konsumkritisch.
„Es gilt mit weniger auszukommen, genügsamer zu sein und sehr viel selber zu machen. Das läuft auch unter dem Schlagwort: „Reskilling“. Dass wir statt jämmerlich zu verhungern, wenn die Supermärkte nicht mehr beliefert würden, lernen unsere Bedürfnisse selbst zu befriedigen. Das ist auch etwas was man belächeln kann, muss ich jetzt wieder selber anfangen, meine Wolle zu spinnen und meinen Pullover zu stricken... Es sind nicht alle Ideen brandneu, es ist einfach nur Wissen zusammengetragen. Und was man oft ja auch sieht, es macht etwas mit uns. Es ist auch ein psychologischer Aspekt. Viele Leute, die jetzt angefangen haben einen Gemüsegarten anzulegen, sagen, es hat was Befreiendes eben in der Erde zu graben. Und wenn ich wieder anfange zu stricken, habe ich das Gefühl, ich kann selber was produzieren. Ich bin nicht nur etwas Wert wenn man einen Computer vor mich hinstellt und ich da rumtippe, sondern ich kann auch wirklich selbst was produzieren.“

Starke und schwache Nachhaltigkeit

Die Transition TownlerInnen gehen nicht von unbegrenztem Wachstum aus. Sie stehen in der Linie der „starken Nachhaltigkeit“: Um Ressourcen langfristig nutzen zu können, müssen wir sparsamer mit ihnen umgehen, um ihre Regenerationskapazität nicht zu übersteigen. Prof. Niko Paech ist Wirtschaftswissenschaftler an der Universität Oldenburg. Er hält einen Paradigmenwechsel für notwendig und spricht von der „Postwachstumsökonomie“, in der auch jenseits des Wirtschaftswachstums ein Zugewinn an Lebensqualität möglich ist. Er schreibt folgendes:
„Wer nur zwanzig Stunden pro Woche dem Gelderwerb nachgeht, kann die verbleibende Zeit dem selbst bestimmten Leben widmen. Diese Menschen könnten zu einer vorteilhaften Balance aus Selbst- und Fremdversorgung finden, zu einer neuen „urbanen Subsistenz“. Sie bedeutet weniger materiellen Konsum und mehr Souveränität über die eigene Zeit, weniger Abhängigkeit von globaler Fremdversorgung.“

Weniger konsumieren? Das ist wohl nicht der Gedanke jener, die die Linie der „schwachen Nachhaltigkeit“ verfolgen. Sie nämlich setzen weiterhin auf Wirtschaftswachstum und gehen dabei von einer Entkopplung aus: die Wirtschaft könne auch ohne Umweltbelastungen weiter wachsen. Möglich erscheint dies, wenn wir davon ausgehen, dass unterschiedliche Ressourcen gegeneinander austauschbar sind. Die Ressource Wald beispielsweise, wenn sie durch eine neue Technologie ersetzt werden könnte. Die Überzeugung beruht darauf, dass nur die richtige Innovation gefunden werden muss, und dann die gegenwärtigen Probleme gelöst werden können. Aber ein Wald hat nicht nur eine Funktion. Er ist nicht nur da, um Brennholz zu liefern. Selbst wenn also eine Technologie gefunden wird, um Brennholz zu ersetzen, trotzdem können in diesem Moment nicht all die anderen Funktionen des Waldes aufrecht erhalten werden: Seine Funktion als Wasserspeicher, als Erosionsschutz, als Lebensraum, um nur wenige zu nennen. Dies macht deutlich, dass die Austauschbarkeit von Ressourcen nicht ohne weiteres funktioniert.
Selbst als neue Technologien vielversprechend eingeführt wurden, oft zeigten sich erst in der Zukunft Probleme, mit denen man zuvor nicht gerechnet hätte. Materialien, die sich als toxikologisch bedenklich erwiesen, Risikotechnologien wie Atomkraft, Gen- und Nanotechnologie, über die noch heftig diskutiert wird. Niko Peach bringt die Komplexität folgendermaßen auf den Punkt:
„Die unbeabsichtigten Nebenfolgen einer Innovation zeigen sich erst, wenn ihre Verbreitung und Anwendung vollzogen ist, so dass es für vorbeugende Gegenmaßnahmen zu spät ist. Aus dem Versuch, ein Problem zu lösen, erwachsen neue Probleme an einem anderen Ort, zu einer späteren Zeit oder in einem anderen ökologischen Kontext.“
Er hält auch von der Konsistenzstrategie nicht viel. Selbst mit dem Szenario der uneingeschränkten Wiederverwertbarkeit von Gegenständen hätten wir einen immens hohen Energieverbrauch. Denn Recyclingprozesse sind immer energieintensiv. Das beschreibt bereits das Gesetz der Thermodynamik: Stoffe in Unordnung zu bringen gelingt quasi von selbst, sie aber wieder zu ordnen, was im Falle der Trennung von Wertstoffen unerlässlich ist, ist aufwendig und kostet Energie. So kann die Effizienz- und Konsistenzstrategie die Umweltbelastung verringern, niemals aber auf den Wert Null bringen.

Ausgehend von einer Entwicklung, für die sich Wirtschaftswachstum als kontraproduktiv erweist, müsste das Augenmerk auf den Erhalt gelegt werden anstatt auf die ständige Schaffung von neuen Gütern. Die Wirtschaft wäre also nur noch da, um zu erhalten.

Nachhaltig gestalten - Permakultur

Ein weiteres Nachhaltigkeitskonzept, eines, das sich an der Systemtheorie orientiert und die Natur als Leitbild hat, ist die Permakultur. Dieses Gestaltungskonzept finden wir vor allem in Lebensräumen mit Gärten und Grünflächen. Es ist auf Langfristigkeit angelegt und wird oft im Bereich der Selbstversorgung angewendet. Ronny Müller ist Permakultur-Aktivist und gibt selber Einführungskurse ins permakulturelle Design. „Alles was mit Systemen zu tun hat, kann permakulturell gestaltet werden. z.B. in der Architektur, in sozialen Systemen, da kommt man nicht ohne weiteres drauf, wenn man von der landwirtschaftlichen, von der gärtnerischen Seite her kommt. Das klassische Feld ist natürlich Landwirtschaft und Gärtnerei, da kommt Permakultur eigentlich her. Ansonsten kann man diese Prinzipien aus der Permakultur auf jede Art von System anwenden.“
Einige Gestaltungsprinzipien sind: Jede Funktion des Systems wird von mehreren Elementen erzeugt, jedes Element hat mehrere Funktionen. Energien und Stoffe werden wiederverwendet, also geschlossene Kreisläufe geschaffen. Eine möglichst große Vielfalt ist erwünscht. Hierzu dient auch die Ausweitung von Randzonen: Zum Beispiel ist die Vielfalt am Rande eines Teiches besonders groß. Folglich sollte der Teich in seiner Form nicht rund sein, sondern möglichst viele Einfaltungen haben.
Ronny Müller erklärt das Prinzip der Multifunktionalität anhand des Apfelbaumes: „Wenn wir zum Beispiel von einem Garten ausgehen und einen Apfelbaum betrachten, wäre eine Funktion des Apfelbaumes Äpfel zu produzieren. in einem Permakultursytem würde man auch andere Aspekte einbeziehen. Das können zum Beispiel sein, dass der Apfelbaum Schatten wirft an Stellen, wo man Schatten haben möchte, dass der Apfelbaum auch Holz liefern kann, dass der Apfelbaum eine Möglichkeit wäre, eine Schaukel anzubringen an einen Ast oder ein Kletterbaum zu sein, dass ein Baum in einem Park ein Zentrum sein könnte, was in Richtung sozialer Funktionen geht. Der Apfelbaum bekommt durch so eine Betrachtungsweise viel mehr Funktionen als ein Apfelbaum, der nur als Produktionsfaktor für den Apfel betrachtet wird.
Ein weiteres Prinzip wäre nach einer Vielfalt von Elementen zu schauen in einem System. Ein System so vielfältig zu gestalten, dass es durch mehrere Komponenten getragen wird und damit auch eine gewisse Resilienz hat, eine Widerstandsfähigkeit gegen Störungen und deshalb würde man bezogen auf den Apfelbaum versuchen, dass man nicht nur eine Sorte hat, sondern verschiedene Sorten, die verschiedene Blühzeitpunkte haben, die verschiedene Erntezeitpunkte haben, die verschiedene Resistenzstärken haben oder bestimmte Vorteile haben im Vergleich zu anderen Sorten, so dass der Apfelertrag nicht nur von einer Sorte abhängt, sondern dass ein ungünstiger Faktor durch die anderen Sorten ausgeglichen werden kann.“
Es ist wichtig, Wechselwirkungen der Elemente zu kennen, um Synergien zu nutzen. Das können zum Beispiel Pflanzenarten sein, die sich besonders gut ergänzen. Das klassische Beispiel: Kürbis, Mais und Bohnen. Diese drei vertragen sich sehr gut. Der Mais dient als Rankhilfe für die Bohnen, der Kürbis beschattet mit den Blättern den Boden und beugt der Austrocknung vor und die Bohnen versorgen den Boden und die Pflanzen mit Stickstoff.

Die Wurzeln der Transition Town Bewegung sind durchaus in der Permakultur zu finden, schließlich war deren Begründer Rob Hopkins auch ein Permakultur-Lehrer.

Alles alt und unmodern?

Mischkulturen und Selbstversorgung gab es schon vor vielen Jahrhunderten. Sollten wir zurückkehren zu einer Zeit, zu der es noch keine Arbeitsteilung gab? Oder sind diese Ansätze von Selbstversorgung und Regionalität nicht auch etwas Neues und Fortschrittliches in der Gegenwart?
Neu ist das Aufbrechen der Annonymität in der Stadt, indem Elemente aus dem Dorf, wie nachbarschaftlicher Zusammenhalt und gegenseitige Hilfe in die Stadt gebracht werden. Neu ist die Integration von einzelnen Ideen in das Gesamtkonzept der Permakultur, das eine komplexe Betrachtungsweise ermöglicht. Den Ökolandbau, den Bau von Passivhäusern, die Entwicklung von erneuerbaren Energien und von Recycling-Systemen...
„Das sind alles verschiede Methoden, um gewisse Dinge umzusetzen.“, sagt Ronny Müller. „Ökolandbau ist eine Methode um Nahrungsmittel auf eine ökologisch verträgliche Art und Weise zu produzieren, dementsprechend kann man auch bei den anderen Beispielen sagen, das sind Methoden oder Konzepte, um Dinge zu produzieren. Permakultur sehe ich eher als eine Art und Weise um tatsächlich eine nachhaltige Kultur zu schaffen, als etwas Umfassenden, wo es nicht nur um einzelne Produktionsbereiche geht, sondern um die Umgestaltung der gesamten Kultur.“
Das Neuartige ist somit, alte Modelle und alte Erfahrungen mit neuen Wissensbeständen und neuen Technologien zu verknüpfen. Aber was kann das für die Stadt bedeuten? Für die Transition Towns ist der Maßstab einer funktionierenden Gesellschaft eher „Town“ als „City“, also eher eine Kleinstadt oder ein Stadtviertel.
Das bedeutet aber nicht die Rückkehr zum traditionellen Dorf. Die Schaffung dörflicher Strukturen würde in Zersiedlung münden. Kompakte Stadtstrukturen hingehen sind von der Energieeffizienz her deutlich günstiger. Da sind sich angewandte Wissenschaften und soziale Bewegungen einig.

Verschiedene Naturvorstellungen

Die Frage danach, wie wir leben wollen, ist eng verknüpft mit der Naturvorstellung die wir haben. Was der einen als Rückschritt erscheint, ist dem anderen ein Fortschritt. In der Permakultur wurzelt eine normative Vorstellung von Natur. Von Bill Mollison, dem Begründer der Permakultur stamm das Zitat: „PK ist ein Tanz mit der Natur, bei dem die Natur führt.“ Der Natur wird dabei eine Führungsposition eingeräumt, an der sich der Mensch zu orientieren hat. Die Kultur soll sich also der Natur anpassen.
In der sozial-ökologischen Forschung hingegen ist die Natur nicht das Leitbild, vielmehr stehen die Wechselwirkungen von Gesellschaft und dem, was wir als Natur bezeichnen, im Vordergrund. Immanuel Stieß gibt zu bedenken, dass es sich eigentlich imme rum eine gesellschaftlich. überformte Natur handelt. „Der Mensch, Gesellschaften brauchen, um existieren zu können, Ressourcen und stehen in einem Austausch mit natürlichen Leistungen. Das Ziel ist es nicht, naturnah zu leben, sondern es ist eine gesellschaftliche Entscheidung, eine politische Frage, mit welcher Natur, mit wie viel Risiko, mit wie viel Naturzerstörung wir eigentlich leben wollen, in welcher Umwelt wir leben wollen. Ökosysteme können sich wieder neu einstellen, wenn sie sehr stark gestört worden sind. Aber die Frage ist dann, ob wir dann noch leben können.“

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