Mittwoch, 8. Juni 2011

Chips, Gemüsebrühe und Co. - den Geschmacksvertärkern auf der Spur

„Ohne den Zusatz von Glutamat“ oder „Frei von geschmacksverstärkenen Zusatzstoffen“, das steht inzwischen auf vielen Verpackungen von Chips, Suppentüten und Fertiggerichten. Aber das Glutamat ist im Prinzip allgegenwärtig. Es handelt sich um eine Aminosäure, einen Eiweißbaustein also. Er kommt zum Beispiel reichlich in Käse oder in Tomaten vor. Auch Würzsaucen und Hefeextrakte enthalten Glutamat. Weil dieser Stoff immer wieder in die Kritik gerät, gesundheitliche Risiken zu bergen, sind viele Hersteller zum „Clean Labeling“ übergegangen: Sie verzichten auf den Einsatz von reinem Glutamat, setzen aber Hefeextrakt ein. Hefeextrakt gilt nicht als Zusatzstoff und hat auch nicht so ein schlechtes Image. Aber wie unterscheiden sich diese Inhaltsstoffe? Ist Hefeextrakt besser? und was bedeutet das für Bio-Lebensmittel?



Was ist Glutamat - Was ist Hefeextrakt?

Glutamat ist ein Eiweißbaustein und kommt daher in allen eiweißhaltigen Lebensmitteln natürlicherweise vor. Glutamat fungiert auch als Geschmacksverstärker, genaugenommen handelt es sich um eine eigene Geschmacksrichtung, die man ihm zuordnet, sie heißt „umami“.
Schon seit jeher mochten Menschen den herzhaften Geschmack von gebratenem Fleisch, natürlich gebraute Sojasauce wird traditionell zum Würzen verwendet und auch Käse, Tomaten, Erbsen und selbst Muttermilch enthalten relativ hohe Mengen an freiem Glutamat.
Damit die Aminosäure ihren geschmacksverstärkenden Effekt auf der Zunge entfalten kann, muss sie aus dem Eiweiß gelöst sein, also in freier Form vorliegen. Nichts anderes geschieht bei der Herstellung von Sojasauce oder Hefeextrakt und auch wenn Käse reift oder Fleisch gebraten wird: Eiweiße werden gespalten.Übrig bleiben die einzelnen Aminosäuren.
Seitdem man diesen Effekt kennt, macht man sich ihn zunutze: Glutamat in reiner Form wird in großem Maßstab durch Mikroorganismen produziert und als Zusatzstoff beigemischt. Wir kennen den Zusatzstoff als Mononatriumglutamat in Chips, Tütensuppen oder Fertiggerichten.

Die unterschiedlichen Herstellungsverfahren von Mononatriumglutamat und Hefeextrakt beschreibt Carola Strassner, Professorin am Fachbereich Ökotrophologie der Fachhochschule Münster.
„Bei Glutamat die als isolierte Zusatzstoffe beigefügt werden, ist es ein gängiger Prozess, dass diese von genetisch veränderten Mikroorganismen produziert werden. Weil man einen einzelnen Stoff will, ist das dann die Methode der Wahl. Bei Hefeextrakt ist das anders. Da füttert man diese Einzeller sozusagen als lebendige Wesen, gibt ihnen ein Medium auf dem sie wachsen können. Und um an Hefeextrakt zu kommen, muss man diese Zellen, die Zellwände aufbrechen. Und da gibt es verschiedene Methoden: Autolyse, Plasmolyse und so weiter und die werden je nach Anwendung genutzt und dann kommt man an den flüssigen Inhalt der Hefezelle. Der wird dann in verschiedenen Formen am Markt angeboten.
Glutamat und Hefeextrakt ist also nicht das Gleiche, aber Glutamat ist ein Bestandteil von Hefeextrakt.

Wir brauchen Glutamat in unserem Stoffwechsel, ja unser Körper kann sogar selbst diese Aminosäure herstellen. Ganze 50 Gramm bildet der Körper täglich selbst. Die Menge, die wir über die Nahrung aufnehmen, ist kleiner: Bei normaler Mischkost nehmen wir etwa 10 bis 20 Gramm Glutamat auf, 1 Gramm davon als freies Glutamat. Die Aufnahme von Glutamat als Zusatzstoff wird in Europa auf ein halbes Gramm geschätzt, für asiatische Länder ist es etwa die dreifache Menge.

Da Eiweiße durch den Verdauungsprozess in ihre Bestandteile, die Aminosäuren, zerlegt werden, macht es ernährungsphysiologisch keinen Unterschied, aus welchen Quellen das Glutamat stammt, ob es also zugesetzt ist oder ob es natürlicherweise gebunden im Lebensmittel vorkommt.
Das Glutamat erfüllt unterschiedliche Funktionen im menschlichen Körper. Es ist wichtig für die Bildung weiterer Aminosäuren. Diese wiederum werden im Körper zur Herstellung von Eiweißen verwendet. Und ganz viele Körperbestandteile enthalten Eiweiß.
Außerdem ist es zuständig für die Bindung des Zellgifts Ammoniak und hat somit eine entgiftende Funktion. Für das Darmgewebe stellt Glutamat eine Energiequelle dar. Die AS fungiert im ZNS außerdem als erregender Neurotransmitter. Das bedeutet, sie ist beteiligt an der Signalübertragung zwischen Neuronen, den Gehirnzellen.

Gesundheitliche Bedenklichkeit?

Trotz der physilogischen Funktionen, das Glutamat ist in Kritik geraten. Carola Strassner kennt die Geschichte:
„Das allererste was irgendwann in der wissenschaftlichen Fachpresse und zwar in der medizinischen, im lancet war ein bericht über das, was dann als das China-Restaurant-Syndrom in die Medien einging. Und wenn ich mich recht entsinne war das damals ein einzelner Fall. Ein Fallbeispiel wie es in der ärztlichen und medizinischen Literatur nicht unüblich ist. Und diese Symptome, die damals beobachtet wurden, haben das Thema zum Rollen gebracht.
Zu den angesprochenen Symptomen gehören beispielsweise Kopfschmerzen, Schwindel, Hitzegefühle, Übelkeit, Taubheitsgefühle im Mund.
In populärwissenschaftlichen Büchern gibt es eine Reihe von Krankheitsbildern, die mit Glutamat in Verbindung gebracht werden. Sie reichen von Übergewicht über Demenzerkrankungen bis hin zu Parkinson. Die Beweise dazu in der Literatur, gibt Carola Strassner zu, sind dürftig.
Internationale Organisationen wie die Weltgesundheitsorganisation halten die übliche Glutanmataufnahme für unbedenklich.
„Es gab eine Forschergruppe, die das Hohenheimer Konsensuspapier herausgegeben hat, die hat sich mit einigen Vorwürfen an Glutamat auseinandergesetzt, und kam nach ausführlicher Metaanalyse von der damals gängigen wissenschaftlichen Literatur zum Schluss, dass keine klare Aussage möglich wäre. Auf der Basis wissenschaftlicher Literatur konnte man dem, was damals vorgeworfen wurde, nicht standhalten.

Anders sieht das Michael Hermanussen, Autor des Buches „Der Gefräßigmacher – wie uns Glutamat zu Kopfe steigt und warum wir immer dicker werden“. Er sichtete unzählige Studien und stellt schließlich die These auf, Glutamat würde die kurz- und langfristige Sättigungsregulation stören. Mit rund 15 Energieprozent Eiweiß in einer westlichen Kost, würde über Glutamat der Appetit angeregt werden.

Ist es also einfach nur die Dosis, die das Gift macht? Während Hefeextrakte und Würzsaucen als Lebensmittel gelten und nicht unter die Zusatzstoffverordnung fallen, gibt es für reines Glutamat einen Grenzwert. Er liegt bei 10 g / kg. Das Hessische Landeslabor untersucht deshalb regelmäßig Lebensmittel auf ihren Glutamatgehalt. Dabei wird auch der natürliche Glutamatgehalt erfasst. Dr. Hasan Taschan, Lebensmittelchemiker, analysierte unterschiedliche Lebensmittel:
„Wir haben im Rahmen dieser Arbeit 48 Suppen untersucht, da hatten wir einen Glutamatgehalt zwischen 0,1 und 16 g pro kg. Der Durchschnittswert lag bei 4 g pro kg. Wenn ich meine Untersuchungsergebnisse sehe, dann sind es ganz wenige Produkte, die über 10g/kg gehen. 80% liegen unter 5g/kg.“
Auffallend ist, dass in Restaurantsuppen größere Mengen enthalten sind, als in industriell hergestellten Tütensuppen, denn der Koch – so die Erklärung – gibt nach eigenem Ermessen mal einen mal zwei Löffel hinzu.

Hasan Taschan untersuchte den Glutamatgehalt in Fertiggerichten, bei denen zum einen Hefeextrakt eingesetzt wurde, zum anderen Mononatriumglutamat in Form des Zusatzstoffes. Das Ergebnis: Die Produkte mit Hefeextrakt enthielten im Durchschnitt geringere Glutamatgehalte als die Produkte mit Geschmacksverstärker als Zusatzstoff.

Biolebensmittel

In Biolebensmitteln ist der Zusatz von Mononatriumglutamat nicht erlaubt. Hier wird allerdings über Hefeextrakt diskutiert, denn dieser wird in Biolebensmitteln durchaus verwendet. Da im Ökolandbau aber die Naturbelassenheit eine große Rolle spielt, sind sich Hersteller zum Teil nicht einig, inwieweit Hefeextrakte diesem Prinzip entsprechen. Immerhin handelt es sich bei Hefeextrakt um ein stark verarbeitetes Lebensmittel. Zweifel kommen aber auch Seitens der VerbraucherInnen. Carola Strassner:
„Für Biolebensmittelhersteller ist es, dass sie Anfragen kriegen, was es mit dem Hefeextrakt auf sich hat. So wird nun auch für Hefeextrakt diskutiert, was man für Glutamat diskutiert hat. Hersteller müssen sich dann mit dem Thema Gesundheit auseinandersetzen und positionieren.“

Seit 2009 gehört Hefeextrakt auch zur Ökoverordnung. Da wurde nun festgelegt, dass ab dem 1. Januar 2014 Hefeextrakt in Biolebensmitteln nur noch in Bio-Qualität eingesetzt werden darf.
Hefeextrakt in Bioqualität gibt es tatsächlich. Erstmals auf den Markt gebracht wurde er 1995.
„Bei einer Biohefe muss auch das Nährmedium eine Bioqualität haben. Beim konventionellen wird man Melasse der Zuckerherstellung nutzen. Man braucht keine zusätzliche stickstoffquelle, keine pH-Regulatoren usw.“, beschreibt Carola Strassner die Unterschiede.

Ihr inzwischen zu Ende gebrachtes Forschungsprojekt erfolgte in Zusammenarbeit mit dem BNN, dem Bundesverband Naturkost und Naturwaren Herstellung und Handel e.V. Dabei wurde zum einen eine Literaturrecherche zu Hefeextrakt durchgeführt und zum anderen Lebensmittelhersteller befragt. Als Zielsetzung steht die Frage, inwiefern sich Hefeextrakt und Anforderung an Bioqualität vereinbaren lassen.
„Wir haben in dem Projekt für uns nicht ganz zufriedenstellend unsere fragen beantworten können. Das Projekt ging ein Jahr lang, hatte auch mehr den Fokus, wie die Naturkosthersteller dazu stehen. Der andere Teil beschäftigte sich mit Belege aus wissenschaftlicher Literatur, die für oder gegen Hefeextrakt sprechen. Wir konnten in dem Zeitraum nicht abschließend die frage beantworten. Wir haben für uns noch mehr fragen generiert: Welchen Einfluss haben diese unterschiedlichen verfahren, wann macht es einen Unterschied welchen Anteil Glutamat der Hefeextrakt hat und geht es nicht eigentlich um die Mengen…

So bleibt es auch weiterhin jedem und jeder selbst überlassen, zu welchem Lebensmittel er oder sie greift, um nicht in den sauren Apfel zu beißen: Zu den Chips mit Glutamat, zur Brühe mit Bio-Hefeextrakt oder zu einem Fertiggericht, in dem weder das eine noch das andere enthalten ist…

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