Montag, 11. März 2013

Jenseits der Wassertoilette

Seitdem wir funktionierende Kanalisationen haben, benutzen wir die Wassertoilette wie selbstverständlich und spülen jeden Tag Wertstoffe das Klo hinunter. Wertstoffe deshalb, weil aus Urin und Fäkalien eigentlich hochwertiger Dünger und Humus gemacht werden kann. Auf der kroatischen Insel Mljet gibt es keine Kanalisation, dafür aber Kompost-Toiletten, die ohne Trinkwasser auskommen und zudem helfen, Nährstoffkreisläufe zu schließen.

Die Fähre legt an und es scheint als befänden wir uns jenseits der Zivilisation, denn die kroatische Insel Mljet begrüßt uns nicht mit zichfachen Cafés, Restaurants und Hotelanlagen, sondern mit dichtem Wald und kleinen, einspurigen Straßen. Fast 9 Stunden braucht die Autofähre von Split bis hier her. Die Insel ist so abgelegen, dass das Wasser nicht unterirdisch vom Festland kommt, sondern mit dem Schiff antransportiert werden muss. Die Tatsache, dass das Wasser knapp ist, hat ein paar Menschen dazu gebracht, in Sanitärfragen eine den Gegebenheiten angepasste aber nicht ganz neue Idee anzuwenden: Die Toilette ohne Wasserspülung.

Diese gab es schon in der Antike. Auch das Plumsklo, das man vielleicht noch aus dem einen oder anderen Dorf kennt, ist eine Kompost-Toilette, die ohne Wasser funktioniert. Allerdings entstehen bei dem gemeinsamen Sammeln von Urin und Kot unangenehme Gerüche, wenn es keine
Belüftung gibt.

In dem Ort Ropa übernachten wir auf dem einzigen Campingplatz der ganzen Insel. Die Kompost-Toiletten fallen eher nebenbei auf. Denn mit Schüssel und Klobrille sehen sie wie „ganz normale“ Toiletten aus. Nur der Spülkasten fehlt. Es gibt weder unangenehmen Gerüche, die an ein altmodisches Plumsklo erinnern noch irgendwelche chemischen Ausdünstungen, wie man sie aus Dixie-Klos kennt.

Kompost-Toiletten gibt es in unterschiedlichen Formen: Die einen trennen Urin und Exkremente schon im Vorfeld, in anderen wird alles gemeinsam gesammelt und kompostiert. Wieder andere Systeme kompostieren das Material an einem anderen Ort gleich in größeren Mengen.

Hier in Ropa landet alles zusammen in einem Behälter unterhalb der Toilette. Hört man genau hin, vernimmt man eine Lüftung. Der Klodeckel sollte geschlossen bleiben, damit der Luftzug unterhalb der Toilettenschüssel nicht gestört wird.
In dem großräumigen unterirdischen Behälter, den wir nicht sehen, zersetzen Bakterien unter Luftzufuhr das Material in Kohlendioxid und Wasser. Die Mikroorganismen „ernähren“ sich von dem organischen Material und das Volumen verkleinert sich nach 1 bis 2 Jahren um bis zu 90 Prozent. Außerdem entsteht Wärme, bis zu 40 Grad Celsius. Wiederum andere, krankheitsauslösende Bakterien, haben es unter diesen warmen, luftigen Bedingungen schwer und sterben ab. Deshalb ist es wichtig, dass die Ventilationsanlage läuft und
regelmäßig Sägespäne zugeführt werden. Die machen das Material nämlich luftdurchlässiger. „Wir hatten noch von niemandem Beschwerden.“, sagt Marina, die den Campingplatz mit ihrer Familie betreibt.

Das feste organische Material kann man nach den 1 bis 2 Jahren schließlich als Humus im Garten oder in der
Landwirtschaft verwenden. Humus verbessert die Bodenstruktur und macht den Boden fruchtbarer. Noch
wertvoller sind aber die flüssigen Bestandteile. Im Urin ist besonders viel Stickstoff enthalten, Dünger für die Pflanzen. Dieses „Düngerkonzentrat“ setzt sich unten ab und muss regelmäßig abgepumpt werden.
„Der Dünger ist ohne weiteres nutzbar, es hängt allein vom Besitzer ab. Das ist eine Frage der Kultur, denn wir sind alle daran gewöhnt, eine Toilette zu benutzen und danach die Spülung zu betätigen.“, sagt Stasa Puskaric, der die Komposttoiletten in Kroatien vertreibt. „Wir brauchen eine Veränderung der Denkweise. Die, die damit beginnen, akzeptieren es sehr schnell. In Ropa wird bisher nur die Flüssigkeit als Dünger benutzt, weil im Winter, wenn keine Touristen mehr kommen, der feste Anteil so gut wie verschwindet.“, sagt Puskaric.

Aber ist solch eine sanitäre Idee auch für Städte denkbar, wo sich Kanalisationen und Kläranlagen durchgesetzt haben? Immerhin wird in Kläranlagen oft das Gas Methan aus den Vergärungsprozessen der Exkremente als Energiequelle genutzt. Und Klärschlamm kann auch auf den Acker gebracht werden. Doch in der Kläranlage landen nicht nur menschliche Ausscheidungen, sondern auch Straßenabrieb und Schadstoffe, die sich in der Umwelt absetzen. Deshalb ist Klärschlamm oft schadstoffbelastet. Das Substrat aus der Öko-Toilette hingegen nicht. Puskaric würde auch in Städten gerne mehr Ökotoiletten sehen: „Die jetzige Nutzung ist einfach nicht nachhaltig. Trinkwasser mit Exkrementen zu mischen, das hat mit gesundem Verstand nichts mehr zu tun. Und dann müssen wir noch große Mengen an Energie und fossilen Brennstoffen aufwenden für den Transport und die Reinigung, und das Wasser wird trotzdem nicht mehr so sauber wie zuvor.“

Die meiste Energie benötigt die Kläranlage, um Luft in das Schmutzwasser zu pumpen, damit Mikroorganismen den wertvollen Stickstoff zersetzten. Der ist zwar auf den Feldern erwünscht, nicht aber in Flüssen und anderen Gewässern, die dadurch aus dem ökologischen Gleichgewicht geraten. Trotzdem hält Prof. Ralf Otterpohl es nicht für sinnvoll, Kompost-Toiletten, wie die in Ropa, in urbanen Gebieten
einzusetzen. Er beschäftigt sich an der an der TU Hamburg Harburg mit alternativen Sanitärkonzepten. „Die Toiletten nehmen mit dem Tank einen großen Raum ein, das kann auf dem Land sinnvoll sein, in dicht besiedelten Räumen eher weniger. Hier wäre eine großmaßstäbliche Kompostierung besser. Außerdem möchte sich nicht jeder mit der Hygienisierung, also der Pflege dieser Toiletten beschäftigen.“

Der Arbeitsaufwand ist zwar überschaubar aber nicht unbedingt beliebt. Das Material im Kompost-Behälter muss von
Zeit zu Zeit bewegt, die Flüssigkeit muss abgepumpt werden und täglich sollte man eine Hand voll Sägespäne sowie 2 bis 3 Liter Wasser zuführen.

Otterpohl stellt sich das System für eine Stadt etwas anders vor: „Die Toiletten haben die Größe von Campingtoiletten,
nehmen also nicht viel Platz ein. Dann könnte es lokale Betreibergesellschaften geben, die zum Beispiel einmal in der Woche zum Abpumpen kommen, und die die Kompostierung übernehmen. Danach könnte der Humus gezielt dorthin verteilt werden, wo er gebraucht wird.“

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