Übergewicht - ein gewichtiges Problem

Nicht nur in den USA leiden immer mehr Kinder und Jugendliche an Übergewicht. Kinderarzt Dr. Koletzko gibt Auskunft über die Situation hierzulande und über mögliche Gegenmaßnahmen.


Die Wertstofftonne

Mit der Novellierung der Abfallverordnung soll bald flächendeckend die Wertstofftonne eingeführt werden. Vermutlich wird sie den Gelben Sack bzw. die Gelbe Tonne ersetzen. Künftig sollen hier zusätzlich zu den Verpackungen Wertstoffe wie Kunststoffgegenstände oder Metalle, die nicht lizenziert sind, hineingeworfen werden dürfen. Ziel ist es, das Restmüllaufkommen zu reduzieren und mehr zu recyclen. Um die 7 kg Wertstoffe pro Kopf und Jahr sollen es sein, die nunmehr der Wiederverwertung zugeführt werden könnten.



wertstofftonne

Die Wertstofftonne existiert aber bereits vereinzelt. Zum Beispiel in Karlsruhe. Dort werden in einer Tonne die verschiedensten Materialien gesammelt. Neben Verpackungen, Plasik- und Metallgegenständen auch noch Papier. Und diese verschiedenen Fraktionen werden dann - hauptsächlich maschinell - getrennt.

Chips, Gemüsebrühe und Co. - den Geschmacksvertärkern auf der Spur

„Ohne den Zusatz von Glutamat“ oder „Frei von geschmacksverstärkenen Zusatzstoffen“, das steht inzwischen auf vielen Verpackungen von Chips, Suppentüten und Fertiggerichten. Aber das Glutamat ist im Prinzip allgegenwärtig. Es handelt sich um eine Aminosäure, einen Eiweißbaustein also. Er kommt zum Beispiel reichlich in Käse oder in Tomaten vor. Auch Würzsaucen und Hefeextrakte enthalten Glutamat. Weil dieser Stoff immer wieder in die Kritik gerät, gesundheitliche Risiken zu bergen, sind viele Hersteller zum „Clean Labeling“ übergegangen: Sie verzichten auf den Einsatz von reinem Glutamat, setzen aber Hefeextrakt ein. Hefeextrakt gilt nicht als Zusatzstoff und hat auch nicht so ein schlechtes Image. Aber wie unterscheiden sich diese Inhaltsstoffe? Ist Hefeextrakt besser? und was bedeutet das für Bio-Lebensmittel?



Was ist Glutamat - Was ist Hefeextrakt?

Glutamat ist ein Eiweißbaustein und kommt daher in allen eiweißhaltigen Lebensmitteln natürlicherweise vor. Glutamat fungiert auch als Geschmacksverstärker, genaugenommen handelt es sich um eine eigene Geschmacksrichtung, die man ihm zuordnet, sie heißt „umami“.
Schon seit jeher mochten Menschen den herzhaften Geschmack von gebratenem Fleisch, natürlich gebraute Sojasauce wird traditionell zum Würzen verwendet und auch Käse, Tomaten, Erbsen und selbst Muttermilch enthalten relativ hohe Mengen an freiem Glutamat.
Damit die Aminosäure ihren geschmacksverstärkenden Effekt auf der Zunge entfalten kann, muss sie aus dem Eiweiß gelöst sein, also in freier Form vorliegen. Nichts anderes geschieht bei der Herstellung von Sojasauce oder Hefeextrakt und auch wenn Käse reift oder Fleisch gebraten wird: Eiweiße werden gespalten.Übrig bleiben die einzelnen Aminosäuren.
Seitdem man diesen Effekt kennt, macht man sich ihn zunutze: Glutamat in reiner Form wird in großem Maßstab durch Mikroorganismen produziert und als Zusatzstoff beigemischt. Wir kennen den Zusatzstoff als Mononatriumglutamat in Chips, Tütensuppen oder Fertiggerichten.

Die unterschiedlichen Herstellungsverfahren von Mononatriumglutamat und Hefeextrakt beschreibt Carola Strassner, Professorin am Fachbereich Ökotrophologie der Fachhochschule Münster.
„Bei Glutamat die als isolierte Zusatzstoffe beigefügt werden, ist es ein gängiger Prozess, dass diese von genetisch veränderten Mikroorganismen produziert werden. Weil man einen einzelnen Stoff will, ist das dann die Methode der Wahl. Bei Hefeextrakt ist das anders. Da füttert man diese Einzeller sozusagen als lebendige Wesen, gibt ihnen ein Medium auf dem sie wachsen können. Und um an Hefeextrakt zu kommen, muss man diese Zellen, die Zellwände aufbrechen. Und da gibt es verschiedene Methoden: Autolyse, Plasmolyse und so weiter und die werden je nach Anwendung genutzt und dann kommt man an den flüssigen Inhalt der Hefezelle. Der wird dann in verschiedenen Formen am Markt angeboten.
Glutamat und Hefeextrakt ist also nicht das Gleiche, aber Glutamat ist ein Bestandteil von Hefeextrakt.

Wir brauchen Glutamat in unserem Stoffwechsel, ja unser Körper kann sogar selbst diese Aminosäure herstellen. Ganze 50 Gramm bildet der Körper täglich selbst. Die Menge, die wir über die Nahrung aufnehmen, ist kleiner: Bei normaler Mischkost nehmen wir etwa 10 bis 20 Gramm Glutamat auf, 1 Gramm davon als freies Glutamat. Die Aufnahme von Glutamat als Zusatzstoff wird in Europa auf ein halbes Gramm geschätzt, für asiatische Länder ist es etwa die dreifache Menge.

Da Eiweiße durch den Verdauungsprozess in ihre Bestandteile, die Aminosäuren, zerlegt werden, macht es ernährungsphysiologisch keinen Unterschied, aus welchen Quellen das Glutamat stammt, ob es also zugesetzt ist oder ob es natürlicherweise gebunden im Lebensmittel vorkommt.
Das Glutamat erfüllt unterschiedliche Funktionen im menschlichen Körper. Es ist wichtig für die Bildung weiterer Aminosäuren. Diese wiederum werden im Körper zur Herstellung von Eiweißen verwendet. Und ganz viele Körperbestandteile enthalten Eiweiß.
Außerdem ist es zuständig für die Bindung des Zellgifts Ammoniak und hat somit eine entgiftende Funktion. Für das Darmgewebe stellt Glutamat eine Energiequelle dar. Die AS fungiert im ZNS außerdem als erregender Neurotransmitter. Das bedeutet, sie ist beteiligt an der Signalübertragung zwischen Neuronen, den Gehirnzellen.

Gesundheitliche Bedenklichkeit?

Trotz der physilogischen Funktionen, das Glutamat ist in Kritik geraten. Carola Strassner kennt die Geschichte:
„Das allererste was irgendwann in der wissenschaftlichen Fachpresse und zwar in der medizinischen, im lancet war ein bericht über das, was dann als das China-Restaurant-Syndrom in die Medien einging. Und wenn ich mich recht entsinne war das damals ein einzelner Fall. Ein Fallbeispiel wie es in der ärztlichen und medizinischen Literatur nicht unüblich ist. Und diese Symptome, die damals beobachtet wurden, haben das Thema zum Rollen gebracht.
Zu den angesprochenen Symptomen gehören beispielsweise Kopfschmerzen, Schwindel, Hitzegefühle, Übelkeit, Taubheitsgefühle im Mund.
In populärwissenschaftlichen Büchern gibt es eine Reihe von Krankheitsbildern, die mit Glutamat in Verbindung gebracht werden. Sie reichen von Übergewicht über Demenzerkrankungen bis hin zu Parkinson. Die Beweise dazu in der Literatur, gibt Carola Strassner zu, sind dürftig.
Internationale Organisationen wie die Weltgesundheitsorganisation halten die übliche Glutanmataufnahme für unbedenklich.
„Es gab eine Forschergruppe, die das Hohenheimer Konsensuspapier herausgegeben hat, die hat sich mit einigen Vorwürfen an Glutamat auseinandergesetzt, und kam nach ausführlicher Metaanalyse von der damals gängigen wissenschaftlichen Literatur zum Schluss, dass keine klare Aussage möglich wäre. Auf der Basis wissenschaftlicher Literatur konnte man dem, was damals vorgeworfen wurde, nicht standhalten.

Anders sieht das Michael Hermanussen, Autor des Buches „Der Gefräßigmacher – wie uns Glutamat zu Kopfe steigt und warum wir immer dicker werden“. Er sichtete unzählige Studien und stellt schließlich die These auf, Glutamat würde die kurz- und langfristige Sättigungsregulation stören. Mit rund 15 Energieprozent Eiweiß in einer westlichen Kost, würde über Glutamat der Appetit angeregt werden.

Ist es also einfach nur die Dosis, die das Gift macht? Während Hefeextrakte und Würzsaucen als Lebensmittel gelten und nicht unter die Zusatzstoffverordnung fallen, gibt es für reines Glutamat einen Grenzwert. Er liegt bei 10 g / kg. Das Hessische Landeslabor untersucht deshalb regelmäßig Lebensmittel auf ihren Glutamatgehalt. Dabei wird auch der natürliche Glutamatgehalt erfasst. Dr. Hasan Taschan, Lebensmittelchemiker, analysierte unterschiedliche Lebensmittel:
„Wir haben im Rahmen dieser Arbeit 48 Suppen untersucht, da hatten wir einen Glutamatgehalt zwischen 0,1 und 16 g pro kg. Der Durchschnittswert lag bei 4 g pro kg. Wenn ich meine Untersuchungsergebnisse sehe, dann sind es ganz wenige Produkte, die über 10g/kg gehen. 80% liegen unter 5g/kg.“
Auffallend ist, dass in Restaurantsuppen größere Mengen enthalten sind, als in industriell hergestellten Tütensuppen, denn der Koch – so die Erklärung – gibt nach eigenem Ermessen mal einen mal zwei Löffel hinzu.

Hasan Taschan untersuchte den Glutamatgehalt in Fertiggerichten, bei denen zum einen Hefeextrakt eingesetzt wurde, zum anderen Mononatriumglutamat in Form des Zusatzstoffes. Das Ergebnis: Die Produkte mit Hefeextrakt enthielten im Durchschnitt geringere Glutamatgehalte als die Produkte mit Geschmacksverstärker als Zusatzstoff.

Biolebensmittel

In Biolebensmitteln ist der Zusatz von Mononatriumglutamat nicht erlaubt. Hier wird allerdings über Hefeextrakt diskutiert, denn dieser wird in Biolebensmitteln durchaus verwendet. Da im Ökolandbau aber die Naturbelassenheit eine große Rolle spielt, sind sich Hersteller zum Teil nicht einig, inwieweit Hefeextrakte diesem Prinzip entsprechen. Immerhin handelt es sich bei Hefeextrakt um ein stark verarbeitetes Lebensmittel. Zweifel kommen aber auch Seitens der VerbraucherInnen. Carola Strassner:
„Für Biolebensmittelhersteller ist es, dass sie Anfragen kriegen, was es mit dem Hefeextrakt auf sich hat. So wird nun auch für Hefeextrakt diskutiert, was man für Glutamat diskutiert hat. Hersteller müssen sich dann mit dem Thema Gesundheit auseinandersetzen und positionieren.“

Seit 2009 gehört Hefeextrakt auch zur Ökoverordnung. Da wurde nun festgelegt, dass ab dem 1. Januar 2014 Hefeextrakt in Biolebensmitteln nur noch in Bio-Qualität eingesetzt werden darf.
Hefeextrakt in Bioqualität gibt es tatsächlich. Erstmals auf den Markt gebracht wurde er 1995.
„Bei einer Biohefe muss auch das Nährmedium eine Bioqualität haben. Beim konventionellen wird man Melasse der Zuckerherstellung nutzen. Man braucht keine zusätzliche stickstoffquelle, keine pH-Regulatoren usw.“, beschreibt Carola Strassner die Unterschiede.

Ihr inzwischen zu Ende gebrachtes Forschungsprojekt erfolgte in Zusammenarbeit mit dem BNN, dem Bundesverband Naturkost und Naturwaren Herstellung und Handel e.V. Dabei wurde zum einen eine Literaturrecherche zu Hefeextrakt durchgeführt und zum anderen Lebensmittelhersteller befragt. Als Zielsetzung steht die Frage, inwiefern sich Hefeextrakt und Anforderung an Bioqualität vereinbaren lassen.
„Wir haben in dem Projekt für uns nicht ganz zufriedenstellend unsere fragen beantworten können. Das Projekt ging ein Jahr lang, hatte auch mehr den Fokus, wie die Naturkosthersteller dazu stehen. Der andere Teil beschäftigte sich mit Belege aus wissenschaftlicher Literatur, die für oder gegen Hefeextrakt sprechen. Wir konnten in dem Zeitraum nicht abschließend die frage beantworten. Wir haben für uns noch mehr fragen generiert: Welchen Einfluss haben diese unterschiedlichen verfahren, wann macht es einen Unterschied welchen Anteil Glutamat der Hefeextrakt hat und geht es nicht eigentlich um die Mengen…

So bleibt es auch weiterhin jedem und jeder selbst überlassen, zu welchem Lebensmittel er oder sie greift, um nicht in den sauren Apfel zu beißen: Zu den Chips mit Glutamat, zur Brühe mit Bio-Hefeextrakt oder zu einem Fertiggericht, in dem weder das eine noch das andere enthalten ist…

Nachhaltigkeitsstrategien jenseits des Ökodorfes

Über Nachhaltigkeit wird viel geredet. Vordringliches Problem momentan ist der Klimawandel. Dabei geht es oft um die Frage nach dem Wirtschaftswachstum. Um dem Klimawandel entgegenzuwirken werden verschiedene Nachhaltigkeitsstrategien entwickelt. Effizienz, Suffizienz, Konsistenz… wer verfolgt welche Ziele und was für eine Vorstellung von Nachhaltigkeit steckt jeweils dahinter?



Ressourcenschonende Technologien entwickeln – die Effizienzstrategie

Nachhaltigkeit ist in aller Munde. Wissenschaftlerinnen, Politiker, Aktivistinnen reden darüber. Und dann gibt es verschiedene Maßnahmen, um dem Ziel näher zu kommen. Ideen aus der Umweltbewegung sind im Mainstream längst angekommen. Bioprodukte sind vielerorts hoch im Kurs, schadstoffarme Produkte werden verwendet, der CO2-Fussabdruck und andere Parameter, die die Umweltbelastung messen, sind in der Diskussion.

In der Forschung geht es um die Entwicklung neuer Technologien, von der Mobilität über die Stromerzeugung bis hin zum Heizen. Energie-Plus-Häuser, also Passivhäuser, die zusätzlich durch Photovoltaik auch noch Strom erzeugen, sind keine Neuheit mehr. Die Herausforderungen liegen andernorts weiß Christina Sager, Gruppenleiterin für Niedrig-Exergie-Systeme am Fraunhofer Institut für Bauphysik in Kassel:
„Die Frage ist, wie schaffen wir das, die erneuerbare Energiequellen Wind und Sonne so zu integrieren, dass wir mit den Lücken klar kommen. Windenergie und Solarenergie haben wir nicht immer... Wie schaffen wir es, die jeweiligen besonderen Merkmale der Technologien miteinander zu Verknüpfen? Zum Beispiel über Speicher, über eine besonders intelligente Nutzung, über zeitliche Verschiebungen in den Profilen.
Sie arbeitet an innovativen Lösungen, um Energie effizienter zu nutzen. Ist das Konzept einer emissionsfreien Stadt realisierbar? Eine Möglichkeit, dies zu erreichen, wäre beispielsweise die Umstellung auf Strom. Dieser müsste natürlich vollständig aus regenerativen Quellen stammen. Somit ließe sich, zumindest theoretisch, sowohl die Mobilität als auch die Wärmeversorgung stemmen. „Die Szenarios einer Null-Emissionsstadt sind zwar gegeben, aber die Frage ist, ob es die richtungsweisende Strategie ist, denn sie erfordert starken Umbau der sehr feuerungsintensiven Heizungsanlagen und der gegenwärtigen Fahrzeugtechnologie. Das wäre ein sehr teurer Weg.“

Bei der konventionellen Stromerzeugung über fossile Energieträger und Atomkraft ist nur etwa ein Drittel der hineingesteckten Energie am Ende nutzbar ist. Die Stromerzeugung an sich ist schon mal nicht sehr effizient, dennoch begehrt. „Wir haben mit dem Strom eine sehr vielseitige Energieform, ich kann damit Mobilität, Strom, Licht oder Wärme erzeugen. Der Strom ist eigentlich unsere qualitativ am höchsten wertige Energieform.“ Deshalb wäre es auch eine Verschwendung, diese hochwertige Energie zum Heizen zu benutzen. Hierfür reicht nämlich bereits lauwarmes Wasser aus. Christina Sager beschreibt diesen Ansatz mit dem Begriff der „Niedrig-Exergie-Versorgung“. Es geht darum, „eine passende Energieversorgung für die tatsächlichen Bedürfnisse zu finden. Wo bekommen wir eine Quelle her für unsere Gebäudeheizung, die ungefähr 40 Grad hat? Es könnte beispielsweise Abwärme aus einem Industrieprozess sein. Das muss man auch in einem lokalen Quartierskontext betrachten. Ein stärkerer Ausbau von KWK im lokalen Kontext.“
Ziel ist es also nicht, die Stadt emissionsfrei zu machen, sondern Technologien, Strategien und Dienstleistungen zu entwickeln, bei denen die gesamte Stadt Energie einsparen kann.

Um das Wort „Energieeffizienz“ kommen wir nicht herum. Es ist die Effizienzstrategie, die hier gepriesen wird. Wenn Kraftwerke gebaut werden, die mit gleichem Input mehr Strom generieren, wenn das Haus so gut isoliert wird, dass deutlich weniger geheizt werden muss, wenn das Auto bei gleicher Leistung weniger Sprit verbraucht – all das sind Effizienzsteigerungen.
Aber solche Effizienzstrategien bergen auch Gefahren: Wenn es schon mal leicht geworden ist, Energie zu erzeugen, warum auch nicht mehr davon verbrauchen? Immanuel Stieß vom Institut für Sozial-Ökologische Forschung in Frankfurt beschreibt das Problem folgendermaßen: „Ich habe einen normalen Kühlschrank, den tausche ich aus gegen einen AA-plus Kühlschrank, dann habe ich ein viel effizienteres Gerät, aber habe noch genauso viel Kühlschrank zur Verfügung, brauche aber weniger Strom und erzeuge weniger CO2. Das Problem bei solchen Effizienzstrategien ist, dass ich dann vielleicht doch einen größeren Kühlschrank kaufe und dann mache ich diese Einspareffekte zunichte.

Den Verbrauch mäßigen – die Suffizienzstrategie

Der Effizienzstrategie steht die Suffizienzstrategie gegenüber. Sie schließen sich keineswegs aus, sondern ergänzen sich. Bei der Suffizienzstrategie geht es darum, den Verbrauch zu drosseln, also Strom zu sparen, nicht unnötig zu heizen, das Auto weniger zu benutzen. Diese Strategie wird oft als eine Art Verzichtsethik aufgefasst. Immanuel Stieß gibt zu:
„in der Regel funktioniert so was erst, wenn man sagen kann, der Umstieg vom Auto aufs Fahrrad ist gar kein Verzicht, sondern ich gewinne dadurch etwas. Das funktioniert nur, wenn es attraktiv erscheint. z.B. weil ich mich nicht um Parkplätze kümmern muss, weil ich genauso schnell bin oder noch schneller als mit dem Auto.“

Wirkliches Recycling statt „Downcycling“ – die Konsistenzstrategie

Daneben gibt es auch noch die Konsistenzstrategie: Alle Stoffströme sollen dabei im Kreislauf geführt werden. Das bedeutet, dass das Material, welches wir täglich verwenden, verbrauchen, wegwerfen, auch vollständig recycelt werden soll.
Das „cradle-to-cradle“-Konzept, von Prof. Michael Braungart und William McDonough entwickelt, ist solch eine Konsistenzstrategie: Das Produkt soll nicht, wie bisher, von der Wiege bis zur Bahre schließlich das Ende seines Lebenszyklus erfahren. Es soll im Vorfeld so gestaltet sein, dass es entweder in biologische oder in technische Kreisläufe zurückgeführt werden kann. Dieses Konzept im Produktdesign umzusetzen, ist nicht einfach. Die technologische Umsetzbarkeit ist eine Hürde, die Wirtschaftlichkeit eine andere. Beispielsweise müsste die Industrie ziemlich stark umrüsten. Aber nicht nur die, auch Privathaushalte belasten die Umwelt.

Immanuel Stieß beschäftigt sich am ISOE – dem Institut für Sozial-Ökologische Forschung - mit dem Konsum von Privathaushalten. Er fragt nach dem Ausstoß von Treibhausgasen, die durch Verbraucherinnen und Verbraucher verursacht werden. Hinter diesem Projekt steckt die Idee einer „Null-Emissions-Stadt“. Allerdings wird hierbei nicht nach dem CO2 geguckt, das durch Verkehr, durch die Stromproduktion und durch andere Herstellungsprozesse verursacht wird, sondern die Privathaushalte werden unter die Lupe genommen.

CO2-Emissionen der Privathaushalte

Es gibt unterschiedliche Bilanzierungsformen. Man kann die CO2-Emissionen nach Sektoren betrachten, zum Beispiel Industrie, Stromerzeugung, Fahrzeuge, Landwirtschaft… oder man kann fragen, welche CO2-Emissionen der Konsum verursacht inklusive der Wertschöpfungskette, die an jedem Produkt und an jeder Dienstleistung dran hängt. Genau das untersucht Immanuel Stieß. Legt man die CO2 Emissionen also auf die Bevölkerung um, so findet man heraus, dass pro Kopf ungefähr 11 Tonnen Treibhausgase produziert werden. 18% davon fallen für beim Heizen an, 7% entstehen durch den Stromverbrauch, 14% durch die Ernährung und 23% werden durch unser Mobilitätsverhalten freigesetzt. Bei dem hohen Wert von 23% fällt vor allem der Flugverkehr ins Gewicht.
Daraus ergeben sich verschiedene Handlungsmöglichkeiten, um die individuelle CO2-Bilanz zu verbessern. Eine Möglichkeit ist der Umstieg auf Ökostrom.
Was man noch machen kann sagt Stieß, „ist, dass man möglichst wenig Fleisch, vor allem Rindfleisch isst. Und dann könnte man auch noch den Konsum von Käse und Milchprodukten einschränken. Dann würde man ein Drittel der Treibhausgase aus dem Bereich Ernährung einsparen. Und ein Bereich, an den wir gar nicht so sehr denken, ist das Heizen. Es gibt so eine Faustregel, die besagt, dass pro Grad Raumtemperatur ungefähr 6% mehr oder weniger Energie verbraucht wird. Wenn es also nicht 22 Grad im Zimmer ist, sondern 20 Grad, hab ich ungefähr 10% CO2-Emissionen gespart.“

Energiewende geht nur mit eine Kulturwende – die Transition Town Bewegung

Der Transition-Town-Bewegung reicht das nicht aus, lediglich die individuelle CO2-Bilanz zu verbessern. Diese Bewegung stammt aus Irland und England. Im Deutschen würde man die Transition Towns wohl am ehesten als „Kultur- und Energiewende-Städte“ bezeichnen. Im Mittelpunkt steht bei ihnen „Peak Oil“, das Zuneigegehen von Erdöl als billiger Brenn- und Rohstoff und die Entwicklung alternativer wirtschaftlicher Strukturen. Ziel ist dabei sich an den Klimawandel anzupassen und die Unabhängigkeit vom Erdöl zu erreichen. Andrea Philipp, Mitbegründerin der Transition-Town-Gruppe in Freiburg erklärt, „dass es dafür wieder eine stärkere Regionalisierung braucht. Kleinere Netzwerke, mehr Nachbarschaften, mehr Wechselwirkungen, um dadurch auch resilienter zu sein. Dieser Begriff „Resilienz“ oder Widerstandsfähigkeit ist ein ganz wichtiger, um in Krisenzeiten tatsächlich da flexibel sein zu können.“
Neben der Organisation von Filmreihen und Vorträgen sollen konkrete Projekte entstehen, wie die Bildung von Gartenkooperativen oder die Einführung von Regionalwährungen. In England hat man einen „Masterplan“ erstellt, der vorgibt, was getan werden kann, wenn der Stadt das Erdöl ausgeht.
Die Bewegung bezeichnet sich selber als eine Bewegung mit Kopf, Herz und Hand. "Kopf heißt, die Herausforderung zu verstehen, zu begreifen was bedeutet Peak Oil, was bedeutet Klimawandel. Das Herz ist die Bedeutung für mich, wie muss ich mein Denken ändern, mein Weltbild ändern. Und das letzte sind dann die Hände, das konkrete Umsetzen, Anpacken“
Einen Bezug zu den Produkten zu bekommen, die wir tagtäglich verwenden, mehr Dinge wieder selber zu machen: Die Idee der Transition Towns verfolgt eher Suffizienzstrategien und gibt sich konsumkritisch.
„Es gilt mit weniger auszukommen, genügsamer zu sein und sehr viel selber zu machen. Das läuft auch unter dem Schlagwort: „Reskilling“. Dass wir statt jämmerlich zu verhungern, wenn die Supermärkte nicht mehr beliefert würden, lernen unsere Bedürfnisse selbst zu befriedigen. Das ist auch etwas was man belächeln kann, muss ich jetzt wieder selber anfangen, meine Wolle zu spinnen und meinen Pullover zu stricken... Es sind nicht alle Ideen brandneu, es ist einfach nur Wissen zusammengetragen. Und was man oft ja auch sieht, es macht etwas mit uns. Es ist auch ein psychologischer Aspekt. Viele Leute, die jetzt angefangen haben einen Gemüsegarten anzulegen, sagen, es hat was Befreiendes eben in der Erde zu graben. Und wenn ich wieder anfange zu stricken, habe ich das Gefühl, ich kann selber was produzieren. Ich bin nicht nur etwas Wert wenn man einen Computer vor mich hinstellt und ich da rumtippe, sondern ich kann auch wirklich selbst was produzieren.“

Starke und schwache Nachhaltigkeit

Die Transition TownlerInnen gehen nicht von unbegrenztem Wachstum aus. Sie stehen in der Linie der „starken Nachhaltigkeit“: Um Ressourcen langfristig nutzen zu können, müssen wir sparsamer mit ihnen umgehen, um ihre Regenerationskapazität nicht zu übersteigen. Prof. Niko Paech ist Wirtschaftswissenschaftler an der Universität Oldenburg. Er hält einen Paradigmenwechsel für notwendig und spricht von der „Postwachstumsökonomie“, in der auch jenseits des Wirtschaftswachstums ein Zugewinn an Lebensqualität möglich ist. Er schreibt folgendes:
„Wer nur zwanzig Stunden pro Woche dem Gelderwerb nachgeht, kann die verbleibende Zeit dem selbst bestimmten Leben widmen. Diese Menschen könnten zu einer vorteilhaften Balance aus Selbst- und Fremdversorgung finden, zu einer neuen „urbanen Subsistenz“. Sie bedeutet weniger materiellen Konsum und mehr Souveränität über die eigene Zeit, weniger Abhängigkeit von globaler Fremdversorgung.“

Weniger konsumieren? Das ist wohl nicht der Gedanke jener, die die Linie der „schwachen Nachhaltigkeit“ verfolgen. Sie nämlich setzen weiterhin auf Wirtschaftswachstum und gehen dabei von einer Entkopplung aus: die Wirtschaft könne auch ohne Umweltbelastungen weiter wachsen. Möglich erscheint dies, wenn wir davon ausgehen, dass unterschiedliche Ressourcen gegeneinander austauschbar sind. Die Ressource Wald beispielsweise, wenn sie durch eine neue Technologie ersetzt werden könnte. Die Überzeugung beruht darauf, dass nur die richtige Innovation gefunden werden muss, und dann die gegenwärtigen Probleme gelöst werden können. Aber ein Wald hat nicht nur eine Funktion. Er ist nicht nur da, um Brennholz zu liefern. Selbst wenn also eine Technologie gefunden wird, um Brennholz zu ersetzen, trotzdem können in diesem Moment nicht all die anderen Funktionen des Waldes aufrecht erhalten werden: Seine Funktion als Wasserspeicher, als Erosionsschutz, als Lebensraum, um nur wenige zu nennen. Dies macht deutlich, dass die Austauschbarkeit von Ressourcen nicht ohne weiteres funktioniert.
Selbst als neue Technologien vielversprechend eingeführt wurden, oft zeigten sich erst in der Zukunft Probleme, mit denen man zuvor nicht gerechnet hätte. Materialien, die sich als toxikologisch bedenklich erwiesen, Risikotechnologien wie Atomkraft, Gen- und Nanotechnologie, über die noch heftig diskutiert wird. Niko Peach bringt die Komplexität folgendermaßen auf den Punkt:
„Die unbeabsichtigten Nebenfolgen einer Innovation zeigen sich erst, wenn ihre Verbreitung und Anwendung vollzogen ist, so dass es für vorbeugende Gegenmaßnahmen zu spät ist. Aus dem Versuch, ein Problem zu lösen, erwachsen neue Probleme an einem anderen Ort, zu einer späteren Zeit oder in einem anderen ökologischen Kontext.“
Er hält auch von der Konsistenzstrategie nicht viel. Selbst mit dem Szenario der uneingeschränkten Wiederverwertbarkeit von Gegenständen hätten wir einen immens hohen Energieverbrauch. Denn Recyclingprozesse sind immer energieintensiv. Das beschreibt bereits das Gesetz der Thermodynamik: Stoffe in Unordnung zu bringen gelingt quasi von selbst, sie aber wieder zu ordnen, was im Falle der Trennung von Wertstoffen unerlässlich ist, ist aufwendig und kostet Energie. So kann die Effizienz- und Konsistenzstrategie die Umweltbelastung verringern, niemals aber auf den Wert Null bringen.

Ausgehend von einer Entwicklung, für die sich Wirtschaftswachstum als kontraproduktiv erweist, müsste das Augenmerk auf den Erhalt gelegt werden anstatt auf die ständige Schaffung von neuen Gütern. Die Wirtschaft wäre also nur noch da, um zu erhalten.

Nachhaltig gestalten - Permakultur

Ein weiteres Nachhaltigkeitskonzept, eines, das sich an der Systemtheorie orientiert und die Natur als Leitbild hat, ist die Permakultur. Dieses Gestaltungskonzept finden wir vor allem in Lebensräumen mit Gärten und Grünflächen. Es ist auf Langfristigkeit angelegt und wird oft im Bereich der Selbstversorgung angewendet. Ronny Müller ist Permakultur-Aktivist und gibt selber Einführungskurse ins permakulturelle Design. „Alles was mit Systemen zu tun hat, kann permakulturell gestaltet werden. z.B. in der Architektur, in sozialen Systemen, da kommt man nicht ohne weiteres drauf, wenn man von der landwirtschaftlichen, von der gärtnerischen Seite her kommt. Das klassische Feld ist natürlich Landwirtschaft und Gärtnerei, da kommt Permakultur eigentlich her. Ansonsten kann man diese Prinzipien aus der Permakultur auf jede Art von System anwenden.“
Einige Gestaltungsprinzipien sind: Jede Funktion des Systems wird von mehreren Elementen erzeugt, jedes Element hat mehrere Funktionen. Energien und Stoffe werden wiederverwendet, also geschlossene Kreisläufe geschaffen. Eine möglichst große Vielfalt ist erwünscht. Hierzu dient auch die Ausweitung von Randzonen: Zum Beispiel ist die Vielfalt am Rande eines Teiches besonders groß. Folglich sollte der Teich in seiner Form nicht rund sein, sondern möglichst viele Einfaltungen haben.
Ronny Müller erklärt das Prinzip der Multifunktionalität anhand des Apfelbaumes: „Wenn wir zum Beispiel von einem Garten ausgehen und einen Apfelbaum betrachten, wäre eine Funktion des Apfelbaumes Äpfel zu produzieren. in einem Permakultursytem würde man auch andere Aspekte einbeziehen. Das können zum Beispiel sein, dass der Apfelbaum Schatten wirft an Stellen, wo man Schatten haben möchte, dass der Apfelbaum auch Holz liefern kann, dass der Apfelbaum eine Möglichkeit wäre, eine Schaukel anzubringen an einen Ast oder ein Kletterbaum zu sein, dass ein Baum in einem Park ein Zentrum sein könnte, was in Richtung sozialer Funktionen geht. Der Apfelbaum bekommt durch so eine Betrachtungsweise viel mehr Funktionen als ein Apfelbaum, der nur als Produktionsfaktor für den Apfel betrachtet wird.
Ein weiteres Prinzip wäre nach einer Vielfalt von Elementen zu schauen in einem System. Ein System so vielfältig zu gestalten, dass es durch mehrere Komponenten getragen wird und damit auch eine gewisse Resilienz hat, eine Widerstandsfähigkeit gegen Störungen und deshalb würde man bezogen auf den Apfelbaum versuchen, dass man nicht nur eine Sorte hat, sondern verschiedene Sorten, die verschiedene Blühzeitpunkte haben, die verschiedene Erntezeitpunkte haben, die verschiedene Resistenzstärken haben oder bestimmte Vorteile haben im Vergleich zu anderen Sorten, so dass der Apfelertrag nicht nur von einer Sorte abhängt, sondern dass ein ungünstiger Faktor durch die anderen Sorten ausgeglichen werden kann.“
Es ist wichtig, Wechselwirkungen der Elemente zu kennen, um Synergien zu nutzen. Das können zum Beispiel Pflanzenarten sein, die sich besonders gut ergänzen. Das klassische Beispiel: Kürbis, Mais und Bohnen. Diese drei vertragen sich sehr gut. Der Mais dient als Rankhilfe für die Bohnen, der Kürbis beschattet mit den Blättern den Boden und beugt der Austrocknung vor und die Bohnen versorgen den Boden und die Pflanzen mit Stickstoff.

Die Wurzeln der Transition Town Bewegung sind durchaus in der Permakultur zu finden, schließlich war deren Begründer Rob Hopkins auch ein Permakultur-Lehrer.

Alles alt und unmodern?

Mischkulturen und Selbstversorgung gab es schon vor vielen Jahrhunderten. Sollten wir zurückkehren zu einer Zeit, zu der es noch keine Arbeitsteilung gab? Oder sind diese Ansätze von Selbstversorgung und Regionalität nicht auch etwas Neues und Fortschrittliches in der Gegenwart?
Neu ist das Aufbrechen der Annonymität in der Stadt, indem Elemente aus dem Dorf, wie nachbarschaftlicher Zusammenhalt und gegenseitige Hilfe in die Stadt gebracht werden. Neu ist die Integration von einzelnen Ideen in das Gesamtkonzept der Permakultur, das eine komplexe Betrachtungsweise ermöglicht. Den Ökolandbau, den Bau von Passivhäusern, die Entwicklung von erneuerbaren Energien und von Recycling-Systemen...
„Das sind alles verschiede Methoden, um gewisse Dinge umzusetzen.“, sagt Ronny Müller. „Ökolandbau ist eine Methode um Nahrungsmittel auf eine ökologisch verträgliche Art und Weise zu produzieren, dementsprechend kann man auch bei den anderen Beispielen sagen, das sind Methoden oder Konzepte, um Dinge zu produzieren. Permakultur sehe ich eher als eine Art und Weise um tatsächlich eine nachhaltige Kultur zu schaffen, als etwas Umfassenden, wo es nicht nur um einzelne Produktionsbereiche geht, sondern um die Umgestaltung der gesamten Kultur.“
Das Neuartige ist somit, alte Modelle und alte Erfahrungen mit neuen Wissensbeständen und neuen Technologien zu verknüpfen. Aber was kann das für die Stadt bedeuten? Für die Transition Towns ist der Maßstab einer funktionierenden Gesellschaft eher „Town“ als „City“, also eher eine Kleinstadt oder ein Stadtviertel.
Das bedeutet aber nicht die Rückkehr zum traditionellen Dorf. Die Schaffung dörflicher Strukturen würde in Zersiedlung münden. Kompakte Stadtstrukturen hingehen sind von der Energieeffizienz her deutlich günstiger. Da sind sich angewandte Wissenschaften und soziale Bewegungen einig.

Verschiedene Naturvorstellungen

Die Frage danach, wie wir leben wollen, ist eng verknüpft mit der Naturvorstellung die wir haben. Was der einen als Rückschritt erscheint, ist dem anderen ein Fortschritt. In der Permakultur wurzelt eine normative Vorstellung von Natur. Von Bill Mollison, dem Begründer der Permakultur stamm das Zitat: „PK ist ein Tanz mit der Natur, bei dem die Natur führt.“ Der Natur wird dabei eine Führungsposition eingeräumt, an der sich der Mensch zu orientieren hat. Die Kultur soll sich also der Natur anpassen.
In der sozial-ökologischen Forschung hingegen ist die Natur nicht das Leitbild, vielmehr stehen die Wechselwirkungen von Gesellschaft und dem, was wir als Natur bezeichnen, im Vordergrund. Immanuel Stieß gibt zu bedenken, dass es sich eigentlich imme rum eine gesellschaftlich. überformte Natur handelt. „Der Mensch, Gesellschaften brauchen, um existieren zu können, Ressourcen und stehen in einem Austausch mit natürlichen Leistungen. Das Ziel ist es nicht, naturnah zu leben, sondern es ist eine gesellschaftliche Entscheidung, eine politische Frage, mit welcher Natur, mit wie viel Risiko, mit wie viel Naturzerstörung wir eigentlich leben wollen, in welcher Umwelt wir leben wollen. Ökosysteme können sich wieder neu einstellen, wenn sie sehr stark gestört worden sind. Aber die Frage ist dann, ob wir dann noch leben können.“

Mitten im Mischverkehr - Wie die Städte fahrradfreundlicher werden

Städte sind im Begriff fahrradfreundlicher zu werden. Das bedeutet leider nicht, dass es irgendwann die autofreie Stadt geben wird.


Solarzellen aufs Dach und durch - ökologislches Wohnen in Freiburg

Freiburg gilt als Stadt mit ökologischem Profil. Was aber ist so "öko" an der Stadt? Wir laden ein zu einer virtuellen Reise nach Freiburg, wo wir mehr über die Umweltpolitik der Stadt erfahren. Kommen Sie mit auf einen Rundgang durch das Vauban-Viertel, dem Stadtteil mit der hoechsten Fahrradanhaengerdichte. Schon gewusst wie ein Passivhaus funktioniert?



Im ersten Teil geht es um die Umweltpolitik Freiburgs und was die Stadt zur "Ökostadt" macht.

Im zweiten Teil wird nachhaltige Stadtentwicklung unter die Lupe genommen, und zwar am Beispiel des Stadtteils Vauban.

Im dritten Teil geht es um energieeffizientes Wohnen. Bei so vielen Passivhäusern auf engem Raum stellt sich nämlich die Frage: Wie funktionieren sie eigentlich...

Abfallwirtschaft in Giessen - Mülltrennung und Müllverbrennung

In Giessen gibt es eine Müllsortieranlage. Allerdings nicht für unseren Hausmüll, sondern für Gewerbeabfälle. Ich habe mir angeschaut, wie das Materialgemenge getrennt wird.



Müllverbrennungsanlagen werden heutzutage gerne als Müllheizkraftwerke bezeichnet. Ist das gerechtfertigt? In der TREA in Giessen wird Abfall energetisch genutzt.


Gender und Ernährung - Warum Frauen und Männer sich unterschiedlich ernähren

Männer essen einfach mehr Fleisch während Frauen vor allem auf Obst und Salate stehen. Ein Klischee oder eine Tatsache? Dass die Ernährung sich zwischen Mann und Frau tatsächlich unterscheidet, zeigt die Nationale Verzehrsstudie II. Woher die Unterschiede kommen, das ist weitaus schwieriger zu untersuchen.



Am deutlichsten zeigt sich das unterschiedliche Ernährungsverhalten beim Fleischkonsum. Männer verzehren davon deutlich mehr und auch häufiger. Frauen hingegen zeichnen sich durch den Verzehr von viel Obst und Gemüse aus, von Milchprodukten und Vollwert- bzw. Diätware. Sie nehmen insgesamt weniger tierische Fette zu sich.
Versucht man dies auf körperliche Prozesse zurückzuführen, gelangt man schnell an Grenzen der Erklärung. Denn beispielsweise reicht der im Durchschnitt geringfügig größere Energiebedarf von Männern nicht aus, um die derart unterschiedlichen Ernährungsgewohnheiten zu begründen.

Den Ernährungswissenschaften liegen bestimmte Annahmen zugrunde, die beispielsweise den Bedarf an Nahrungsenergie in Form einer Norm festlegen und dabei auf biologische Unterschiede zwischen den Geschlechtern bezüglich des Energiebedarfs rekurrieren. Die Ernährungssoziologin Monika Setzwein sieht darin eine Gefahr: „Eine statistische Tendenz wird zu einer gesellschaftlichen Regel erhoben, die nicht nur unsere Deutungsschemata strukturiert, sondern gleichfalls zu einer normativen Erwartung an das Verhalten anderer wird.“ Man könnte also verkürzt sagen, Männer essen so viel Fleisch, weil es gesellschaftlich von ihnen erwartet wird.

Nahrungsmittelkonsum als Ausdruck von Geschlechtszugehörigkeit

Sind diese geschlechtsspezifischen Unterschiede Ausdruck der Anpassung an eine gesellschaftliche Norm oder handelt es sich gar um die aktive Konstruktion von Geschlechtsidentität? Die Kategorisierungen in „männlich“ und „weiblich“ dienen der Komplexitätsreduktion und machen unser Verhalten berechenbar. So kann man geschlechtsspezifische Verhaltensweisen so lesen, dass sie die Geschlechtszugehörigkeit aktiv ausdrücken. Monika Setzwein schreibt hierzu: „Um die individuelle Geschlechtszugehörigkeit herzustellen, werden Objekte, soziale Räume, Körpermerkmale, Verhaltensweisen usw. vergeschlechtlicht. Und indem diese Dinge oder Eigenschaften einem Geschlecht zugeschrieben werden, erhalten sie selbst ein Geschlecht, das seinerseits vergeschlechtlichend wirkt und somit zur Quelle von Geschlechtsdarstellungen gemacht werden kann.“
Zum Beispiel wird Fleisch, dadurch dass es verstärkt von Männern verzehrt wird, für etwas „männliches“ gehalten. Daraufhin wird der Fleischverzehr mit männlichem Verhalten in Verbindung gebracht und kann schließlich in der gesellschaftlichen Darstellung von Geschlecht verwendet werden.

Diese deutlichen Unterschiede in der Ernährung lassen sich im Kindesalter noch nicht feststellen. Sie kristallisieren sich vor allem in der Pubertät heraus. In dieser Zeit findet eine starke Persönlichkeitsentwicklung statt. Ein wichtiges Merkmal dieser Entwicklung ist die Zugehörigkeit zu einem Geschlecht. In dieser Phase von Umbruch und Veränderung stellt das Geschlecht eine wichtige Konstante und Ordnungsgröße dar. Daraus wird ersichtlich, warum geschlechtsspezifische Ernährung in diesen Jahren an Bedeutung gewinnt.
Dass Mädchen in der Pubertät zunehmend Diäten machen, Jungen hingegen vermehrt Alkohol trinken, ist als Versuch zu verstehen, sich als Mädchen bzw. Junge darzustellen, die Geschlechtsidentität auszudrücken.

Hinzu kommt eine unterschiedliche Bewertung von außen. Wenn Frauen und Männer die gleiche Speise (und Menge) auf dem Teller haben, so wird dieser Sachverhalt durch die Gesellschaft unterschiedlich bewertet. Stellen Sie sich vor wie eine Frau ein noch blutiges Steak verspeist im Beisein eines Mannes, der sich für einen Salat entschieden hat. Isst eine Frau zudem eine große Portion, wirkt sich dies negativ auf die Beurteilung ihrer Attraktivität aus. Denn es besteht die allgemeine Verbindung von kleinen Portionen mit Weiblichkeit und großen Portionen mit Männlichkeit und Stärke. Je extremer ein Konsum gestaltet ist, desto eher wird er als „männliche“ Verhaltensweise dargestellt. „Starke Raucher“, „harte Trinker“, „kräftige Esser“ sind kaum in Beschreibungen „weiblicher“ Praktiken zu finden.

Die größere Gesundheitsorientierung bei Frauen lässt sich auf das gängige Schlankheitsideal zurückführen und ist somit eher eine Attraktivitäts- als Gesundheitsorientierung. Daher achten Frauen tendenziell eher darauf, beim Essen nicht zuzunehmen und machen häufiger Diäten. Die Frau wird stärker als der Mann über ihren Körper definiert. Somit lastet auch ein größerer Druck auf ihr, bestimmte Körpernormen zu erfüllen.

Die Symbolik von Fleisch

Nahrungsmittel können der Geschlechtsdarstellung dienen, weil sie einen Symbolgehalt besitzen. Besonders gut zeigen lässt sich dies am Beispiel von Fleisch. Männer meiden Lebensmittel, denen ein Minderheitsgefühl anhaftet. Das sind oft Lebensmittel, die von Frauen, Kindern, Alten verzehrt werden, Personen also, die geringeren Status in der Gesellschaft haben. Rotes Fleisch am Stück (kein gehacktes oder geschnetzeltes) gilt als ein typisch männliches Nahrungsmittel. Es symbolisiert Kraft, Stärke, Potenz und Macht. Denn hier wurde die Natur besiegt (und zwar durch Männerhand, nicht durch Krankheit, Unfall, Kälte o.ä.). Die Beibehaltung dieser Assoziationen ist umso erstaunlicher, wenn wir uns vergegenwärtigen, wie die heutige Praxis der industriellen Fleischherstellung und Massentierhaltung aussieht. Doch auch diese ist letztlich ein Zeichen von NaturbeHERRschung. Wiese bleiben die archaischen Bilder des Mannes als Jäger dennoch in unseren Köpfen? Jana Rückert-John von der Universität Hohenheim erklärt das mit der Befriedigung von Sicherheitsbedürfnissen. „Es ist beschreibbar mit Ontologie, der Fixierung des Seins. Wenn man davon ausgeht, dass eine funktional differenzierte Gesellschaft immer komplexer wird, immer mehr Risiken und Gefahren birgt, Orientierung verloren geht, dass dann der Glaube an Sicherheiten, an Fixierungen wie die Geschlechtsunterschiede unglaubliche Sicherheit gibt.“

Die Unterwerfung der Natur in Form von Fleischkonsum dokumentiert auch die Herrschaft der Männer über Frauen, die der Natur gleichgesetzt werden und der Kultiviertheit der Männer gegenüberstehen.
Fleisch symbolisiert die Kraft des Tieres, die sich beim Einverleiben auf den Menschen (den Mann) überträgt. Der Mann drück dadurch seine Überlegenheit gegenüber der Natur aus, seine Macht über Leben und Tod entscheiden zu können. Gemüse wird mit Frauen assoziiert, da diese überwiegend Acker- bzw. Gartenbau betreiben (oder betrieben haben). Laut Setzwein steht pflanzliche Kost der tierischen aus folgendem Grund auf niedrigerer Stufe gegenüber: „Eine frugivore Lebensweise wird häufig mit Friedfertigkeit assoziiert, einer Eigenschaft also, die im physisch ausgetragenen Kampf zum Unterliegen führen muss und damit eher Beute- denn Machtpositionen begründet.“

Auch Zubereitungsarten und Verzehrssituationen sind vergeschlechtlicht, was beispielsweise im Gegensatzpaar „kochen“ und „grillen“ deutlich wird: das Kochen gilt als weibliches, privates Tätigkeitsfeld, das Grillen ist männlich konnotiert und kann der öffentlichen Sphäre zugeordnet werden. Männliches Hobby steht weiblicher Arbeit gegenüber. Anders ist das beim professionellen Kochen. Handelt es sich um den Beruf und damit zusammenhängend um Prestige, ist hier wieder der männliche Koch der dominante.

Ernährung und Sexualität

Sowohl der Ernährung als auch der Fortpflanzung ist der Zweck des Überlebens inhärent. Beides ist unmittelbar mit Lust verknüpft. Während die Befriedigung von Durst und Hunger jedoch unmittelbar zu geschehen hat, lässt sich die sexuelle Befriedigung zeitlich aufschieben und auch verdrängen oder sublimieren. So wird Essen oft als Kompensation für anderweitige Lustversagung gedeutet. Die Frau ist verpönt, wenn sie sich den Magen vollschlägt oder volltrunken ist, gleiches gilt für ihr Sexualverhalten. Beim Mann ist das Gegenteil der Fall. Die Speiselust korreliert in ihrer Symbolik mit sexueller Leidenschaft. Die Negierung der sexuellen Leidenschaft von Frauen drückt sich dadurch aus, dass weibliches Essen zum Sündenfall wird.
Als negatives Gegenbild hierzu ist die „animalisch verschlingende“, „bedrohlich unersättliche“ Frau zu finden. Dieses Bild ist auf die männliche „Angst vor einer triebhaften weiblichen Sexualität, die sich des männlichen Körpers geradezu imperialistisch bemächtigt“ zurückzuführen (Setzwein).
Wenn Männer in pornografischen Zusammenhängen oder am Stammtisch über Frauen reden, fallen Termini des Fleischsystems. Der Mann schätzt ab, ob die Frau ein „Leckerbissen“ ist oder nicht. Er ist das handelnde und das bewertende Subjekt.
Interessant ist, dass die Gleichsetzung von Mann bzw. Frau und Natur oder Fleisch in unterschiedlicher Weise erfolgt: Wird bei Männern dadurch ihre physische Stärke und archaische Überlegenheit sowie sexuelle Kraft ausgedrückt, so geschieht dies bei der Frau, indem ihr geistige Fähigkeiten abgesprochen werden und es ihr als Schwäche ausgelegt wird, ihren Körper nicht unter Kontrolle zu haben.

Das Ernährungsverhalten lässt sich mit diesem konstruktivistischen Ansatz deuten. Sind biologistische Ansätze aber mit dem soziologischen vereinbar?
Jana Rückert-John meint dazu: „Biologische Evolution ist von soziokultureller Evolution gar nicht mehr zu trennen. Diese Verzahnung von Kultur und Natur, danach zu fragen, was ist jetzt eigentlich Natur, was ist Kultur, das führt meiner Meinung nach in eine Sackgasse.“

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